Schauspiel: „Punk Rock“ des britischen Dramatikers Simon Stephens im Felina-Areal in Mannheim
Das Theater ist hier ganz nah dran an der Realität: Die
Abschlussklasse der Mannheimer Theaterakademie spielt die
Abschlussklasse in dem aufrührenden Stück „Punk Rock“ von Simon
Stephens.
In der Inszenierung von Boris C.Motzki im Felina-Areal können die Darsteller durch ihre Authentizität anrühren.
Wo sonst die Zuschauertribüne ist, stehen sieben traurige Jugendliche
verloren zwischen leeren Stuhlreihen, halten rote Luftballons in die
Höhe und singen. In dieser zugleich realistischen und abstrakten
Tribühnensituation werden sie dann höchst lebendig agieren. Sie steigen
über Stuhllehnen, um sich ständig umzugruppieren, rücken zur Seite, nach
oben oder nach unten. Wer sitzt bei wem? Wer sitzt allein und wo? Der
britische Dramatiker Simon Stephens greift in seinen Stücken harte
soziale Themen auf. In „Punk Rock“ lässt er die Gruppendynamik in einer
Eliteschule bis zum Amoklauf eskalieren. Teure Privatschulen haben in
Deutschland nicht die Bedeutung wie in Großbritannien, aber auf
deutschen Schulhöfen,wo „Du,Opfer!“ als gängiges Schimpfwort kursiert,
ist eine ähnliche Ausgangslage zu vermuten. Unter den Upper Ten spielen
materieller Neid und Erpressung keine Rolle. Ein Geldklau wird fingiert,
um den Beschuldigten zu demütigen. Dafür beherrschen Sex und
elterlicher Erwartungsdruck alles Sinnen und Trachten der Schüler. In
„Punk Rock“ stehen dabei die Jungen im Fokus. Die Mädchen tragen als
eine Art Schuluniform zu bunten Sneakers provozierend enge und kurze
schwarze Röcke mit knappenweißen Blusen, an denen sie ständig
herumziehen, um sie noch aufreizender zumachen. Mit „du bist zu dick“
wird das Selbstbewusstsein heruntergemacht; mit „ich bin zu dick“ machen
sich die Mädchen selbst herunter. Lilly, gespielt von Ekaterina
Ivanova, kommt neu in die Klasse. Sie sitzt zunächst ganz unten, steigt
aber rasch auf. Der sanfte, sensible William (Edgar Diehl) sucht sich
ihr schüchtern zu nähern, doch siemacht sich an den klobigen Nicholas
(Benjamin Wendel) heran. Für den dünnhäutigen William ist das ein
schwerer Schlag. Obwohl er selten direkte Zielscheibe von Angriffen ist,
reagiert er zunehmend heftiger. Lilly ist ein liebes, harmloses
Mädchen, aber psychisch labil. Psychisch resistent ist einzig der
robuste Sportler Nicholas in seiner roten Jacke. Tanja (Laura Kaiser)
ist eine, die sich kümmert und Wogen glättet, auch dann noch, wenn ihre
Freundin sie hintergeht. Gegen den Frust futtern sie gemeinsam. Es ist
die einzige Situation, in der das Mauerblümchen Tanja einmal nicht
allein ist. Freundin Cissy (Selina Böhm) ist eine konturlose
Mitläuferin, die aber in allem die Beste sein will: beste Noten, beste
Figur, bester Freund. Dieser ist Bennett (Ralph Opferkuch). Er reißt am
lautesten den Mund auf, intrigiert am abgefeimtesten, grapscht am
gröbsten, mal bei Cissy,mal beiNicholas, terrorisiert alle, aber
ammeisten den armen Chadwick (Roman Kimmich). Seine Welt, in die er sich
selbstvergessen hineinsteigern kann, ist die Astrophysik. Sie gibt ihm
das dicke Fell, um in dieser bissigen Meute als Underdog zu überleben.
Die Schüsse am Ende fallen im Dunkeln und lassen ratlos zurück.
Foto: Wolfgang Detering
Quelle: Rheinpfalz
Ich bin Asperge-Autistin und habe dad Stück am 29.April und war danach traumatisiert. Ich hatte denn Eindruck das William Carlisle auch Autist ist, stimmt das ?
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